Zur Verfasstheit der Radiolandschaft

01.11.2008, 12:51

Der Wissenschaftler und Radioforscher Wichert analysierte am Beispiel Berlin den Radiomarkt. Wichert attestierte den Radiosendern grundsätzlich einen Abschieds ?von jeglichem journalistisch-publizistischen Ansatz?.

?Nachrichten? und ?Gewinnspiele? stellen die inhaltliche Flankierung des ansonsten ausschließlich musikalischen Unterhaltungsprogramms dar. Eine Zunahme der Hörerdichte korreliert positiv mit der Verflachung des journalistischen Qualitätsniveaus (1). Folglich haben Radiosender mit einem sehr niedrigen Anspruch die größte Stammhörerschaft (2). Dieses Phänomen ist keineswegs zufällig, sondern kann analog zur Medienmarktanalyse von Noam (1987) gesehen werden, wonach sich aufklärerische, intellektuelle und anspruchsvolle Programme mit qualitativ hochwertige Inhalte in einem schwachen Konkurrenzumfeld mangels Nachfrage bewegen und ein Spartendasein führen. Zwar sind öffentlich-rechtlicher Sender keine reinen Spartensender, der gesetzliche Rundfunkauftrag im Rundfunkstaatsvertrag fordert aber über massentaugliche Inhalte hinaus eine Einstreuung von Inhalten und Meinungen die aus kommerziellen Erwägungen keine massenmediale Verbreitung genießen würden (3). Das hindert die ProgrammgestalterInnen nicht daran, die Anstrengungen zu verschärfen um anspruchsvolle Inhalte aus den gebührenfinanzierten Programmen zu nehmen. Der Bayrische Rundfunk versuchte jüngst, das Jugendformat "Zündfunk" zu kappen, nun probiert es der Hessische Rundfunk mit der legendären und immer noch aktuellen Sendung "Der Ball ist Rund" von Klaus Walter.

Unsere Protestnote machen wir daher öffentlich:

 

Sehr geehrte Hr3-Damen und Herren,
um die Situation der Radiolandschaft ist es nicht gut bestellt. Man mag gerne Marcel Reich-Ranicki zitieren, wenn man daran denkt was den HörerInnen tagtäglich als Programm serviert wird. Schlechter Geschmack ist bei den Privaten längst zum Programm erhoben wurden, doch auch die öffentlich-rechtlichen Sender scheinen ihren Rundfunkauftrag zunehmend so zu verstehen, sich an bestehende rein kommerzielle Konzepte anzubinden, anstatt neue Perspektiven und Blickwinkel zu öffnen. Es wäre ihrem Auftrag entsprechend, der die Gebühren rechtfertigt. Die Radiolandschaft inklusive der öffentlich-rechtlichen Unterhaltungsprogramm müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, nichts mehr zu sagen zu haben weil sie nichts mehr sagen können weil sie nichts mehr sagen wollen. Die Realität zwischen den Rezipienten, die sich für voll genommen fühlen möchten und gute Information und ein inteligentes, unterhaltendes und kreatives Rahmenprogramm verlangen, werden mit deutschem Kulturmüll und belanglosem Pop zu geschwafelt. Die Informationsanteile sind auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zunehmends zurück gegangen und werden durch Verkehrswarnungen und Wetteraussichten ersetzt. Nimmt man die Werte auseinander, die hier nur wegen ihres formellen Wortcharakters als Informationen untergeschoben werden, könnte man glatt von Bilanzfälschung sprechen.

Für Indielabels - wie unserem - wird es in dieser Verfasstheit zunehmends schwieriger, uns zu positionieren und unsere KünstlerInnen anzubieten. Das Profil von Sendern, wie den Hr3, und das einer kreativen Kunstszene drifften zunehmends auseinander. Statt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk entsprechend des Auftrages Minderheitsmeinungen zu zu lassen und entsprechen das Programm danach zu gestalten, wird Kulturschrott einfach umettikettiert und dann scheint es schon zu passen. Irgendwie. Wie sonst kann man sich als Rundfunksender ansonsten erlauben, "Der Ball Ist Rund" zu streichen oder gehen zu lassen. Es ist wie mit dem Stern-Report zum Klimawandel: Die durch negative Information entsehenden gesellschaftlichen Kosten werden erst in ein paar Jahrzehnten deutlich, wenn bewußt wird wie viele aufklärerische Tendenzen im neuen Millenium unterbunden und abgedreht worden waren.

Eine sinnvolle Reaktion des Hr3 wäre es gegenwärtig, Der Ball Ist Rund einen Top-Sendeplatz zu verschaffen.

Mit freundlichen Grüssen,

Andreas Wildner
(unterm durchschnitt)

1] Normative Analyse n. Wichert, 2005.

2] 1387 Hörern, gemessen über einen Zeitraum von 3 Jahren (1995 - 97) auf Grundlage der Daten der AG MA.

3] vgl. Schellhaaß 1994, S.233f.




Contact info

unterm durchschnitt
Andreas Wildner
Im Kamp 2
D-50859 Cologne
Germany / EU
recycled or reused mailer prefered.

0049(0)221.22200050
info@.unterm-durchschnitt.de
www.unterm-durchschnitt.de

Grrr Mailorder
Freibank Music Publishing
The Mensch Gap
Broken Silence
I Can't Relax in Deutschland