Vom Label zum Experten für Emo

15.05.2011, 12:56

Anfragen nehme ich ab sofort entgegen.

Musikkritiker haben so ihre Angewohnheiten. Um ihre Arbeit zu erledigen, sind sie emsig am Katalogisieren und Kategorisieren. Musik als gesellschaftliche Materie in Bewegung, welche zumindest die Möglichkeit besäße, einen Begriff von Freiheit und Subversion zu entwickeln, wird bereits vor ihrer Verwirklichung standadisiert und rationalisiert. Und so fängt der Musikkritiker eben nur ein, was keine Kultur sein kann.

Martin Büsser hatet sich jüngst mit "Emo" auseinander gesetzt, ein ganzes Buch zu diesem Thema herausgegeben. Darin wurden Jugendliche, einer soziologischen Studie gleich, befragt, analysiert und ausgewertet. Es hat etwas merkwürdiges an sich, wenn man zu einer Klassifizierung von Musik befragt wird, mit der man selbst meint, nicht viel zu schaffen zu haben. Es sind doch nach Kriterien des Marktes aufgestellte Prinzipien, die zu einer solchen wie auch anderen Bezeichnung für eine Modeerscheinung, die ihren Soundtrack glaubt zu haben, führten. Es ist eine neue Erfahrung, dass man für etwas in die Verantwortung gezogen wird, was stets nur äußerliche Zuschreibungen waren. Es sind Musikkritiker gewesen, die nahezu bei jeder Veröffentlichung in zahlreichen auf unserer Seite dokumentierten Reviews an der Stelle von Differenzierung nur Ähnlichkeiten zu angeblichen Referenzbands in der Musik suchten und dies in der einfachen Formel "Klingen wie ..." exekutierten. Denn in unseren Promo-Sheets zu Katzenstreik, Captain Planet, Adolar oder Mikrokosmos23 finden sich keine Referenzbands oder Genrefizierungen.

Als Label suchen wir schließlich nicht nach Wiederholung, nach einer Kopie dessen von dem wir bereits das Original veröffentlicht haben. Wir sind stets auf der Suche nach Veränderung, nach dem Spiel mit dem Neuen, mit der Perspektive der Befreiung aus den allgegenwärtigen fast transzendenten Kategorien. Es ist nicht die Suche nach dem Ursprung als dem absoluten Anfang. Vielmehr beschäftigt mich die Dialektik von Anfang und Ende, nämlich ein Schritt nach vorne der nicht das Ende von Allem sondern nur das Ende von heute, also den Anfang von morgen kennzeichnet.

Aber vielleicht hat man auch doch schon zu viel mitgespielt, einfach dadurch, dass man den Anspruch erhebt in anderen Kategorien als denen der Kunst selbst, z.B. denen der Musikpresse, eine Rolle spielen zu wollen oder es aus ökonomischen Prinzipien auch zu müssen?

Salziger Tee statt Experten-Blabla

Von Experten erhoffen sich JournalistInnen doch, dass diese sagen, was sie selbst eigentlich sagen wollten aber aus journalistischen Neutralitätsgebot ihrer Meinung nach nicht sagen sollten. Aus welchem anderen Beweggrund sollte man sich ansonsten thematisch Limitierte vorladen? Vom Intro Magazin wurde ich im April zu einem Interview eingeladen, als Experte für "Emo". Da die journalistischen Prinzipien in der Musikpresse allgemein nicht viel zählen, JournalistInnen gerade im Popbereich aber auch Freiheiten haben, andere Formen und Techniken zu wählen, entwickelte sich das Expertengespräch zu einem ziemlich offenen und spannenden. Letztlich wurde der Plan wohl verworfen und anstatt Experten-Quotes durch ein Labelportrait ersetzt.

Das Interview soll am 23.05.2011 in der Juni-Ausgabe des Intro erscheinen. Sehr gespannt bin auch ich, was aus 120 Minuten letztlich in kurze Formeln gegossen wird. Der Rundumschlag aus Mode, Politik, Musik, Jugendlichkeit, Subversion und Antifa bei schwarzem Tee mit Salz wird von einer 7inch begleitet, welche von den Gruppen Adolar und Mikrokosmos23 beliefert worden ist. Wie es sich für die Entertainment-Industrie gehört, haben beide Bands einen Coversong eingespielt. Beide Aufnahmen können sich aber in der Tat hören lassen und Empfehlen sich für Adolar´sche und Mikrokosmo´sche Eigenkompositionen. Die Split 7" Single erscheint beim Intro und wird ebenda sowie bei ausgewählten Plattenhändlern erhältlich sein.

Andreas

Artverwandte Polaroids: Musikkritik die keine ist.




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