Statement to Lack

02.04.2008, 17:00

»vielleicht habt ihr es schon mitbekommen - wir haben uns entschieden das konzert mit lack in münster abzusagen. zu diesem entschluss sind wir gekommen nachdem wir uns mit lack´s songtext ritornello (s.u.) auseinander gesetzt haben. wir möchten nicht zusammen mit einer band auftreten, welche sich in ihren texten antisemitisch, oder, camouflagiert, antizionistisch äußert. der text zu ritornello, welcher die israelische politik als verantwortlich für islamistische/nationalistische terroranschläge gegen die bevölkerung israels erklärt und welcher, die antisemitische vernichtungslogik der konzentrationslager zwar erwähnend, jedoch in übertragung auf den konflikt im nahen osten mit bezug auf das vorgehen der israelischen armee, den staat israel als "den täter" in diesem konflikt darstellt, stellt für uns ein "paradebeispiel" linken antisemitismus/antizionismus dar.«
cube/mallorys last dance (august 23nd, 2005)

2005 kam eine Debatte um den Song »Ritornello« der Band LACK auf, kurz danach sagten MALLORYS LAST DANCE von unserem Label ein Konzert mit der Band in Münster ab. Von der kritischen Seite her schien das Thema eigentlich abgeschlossen. Als uns Veranstalter darauf 2008 erneut ansprachen und wenig später auch eine Rundmail bei uns in die Mailbox gelang, leiteten wir diese aber aus aktuellen Anlass weiter. Darin wurde auf ein Statement der MALLORYS eingegangen und auf die Tourdates der dänischen LACK hingewiesen. Sie wurden darin als ?antisemitische Post-HC-Band? bezeichnet. Wenige Tage später äußerten sich die Dänen nun endlich dazu.

Wir gründen unser Anliegen auf dem Anspruch an eine reflektierte Pop- und Subkultur, der wir uns verbunden fühlen. Es ist unterm durchschnitt noch nie scheiß egal gewesen, was unsere Bands oder andere Bands singen und texten. Es ist uns auch nicht scheiß egal, wie das Publikum damit umgeht. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Liedtexten ist für uns ein wichtiger Bestandteil unseres Selbstverständnisses, der in Popkultur insbesondere bei Screamo, Punkrock, Indierock, Hardcore und anderen Spielarten Progression und Fortschritt bedeutet ? und nicht zuletzt auch Emanzipation. Eine Diskussion, die sich dem Begriff ?Antisemitismus? und der daraus abgeleiteten Kritik an Hardcore- und Punkbands mit antisemitischen oder anderweitig dämlichen Texten nähert, halten wir nach wie vor für begrüßenswert.

Die erneute Veröffentlichung des MALLORYS-Statement geschah nicht im Namen einer politischen Organisation oder mit dem Ziel, irgend wessen Kampagne zu unterstützen, auch wenn einige diesen Eindruck aus dem Weiterleiten einer Rundmail schlussfolgerten. In der Rundmail stand unseres Erachtens aber auch nichts verwerfliches drin, zu mal das Statement von MALLORYS bereits seit 3 Jahren bekannt ist. Nun werden wir aber vereinzelt für unser Vorgehen kritisiert. Das verwundert uns. Zum einen ist die Kritik von MALLORYS LAST DANCE an der Band, die in der Rundmail erneut aufgegriffen worden ist, richtig gewesen, zum anderen ist an kritisch reflektierten Diskussionen um Songtexte und einer Kritik an Künstlern noch nie etwas verwerfliches gewesen. Um Zweiflern und Kritikern mit besseren Argumenten als durch Weiterleitungen zu entgegnen, fühlen wir uns zur näheren Auseinandersetzung mit der Post-Hardcore-Band ermutigt. Immerhin geht es hier auch um MALLORYS LAST DANCE und der Richtigkeit ihres Statements. "[...] we have since then learned that the song can be read in a way that we are not at all comfortable with!" räumten schließlich LACK selber in ihrer anschließend verbreiteten Stellungnahme dazu ein. Eine Kritik an der Band LACK mit besagten Text ist also sinnvoll und meinungsbildend gewesen und hat so lange Bestand, bis eine Band glaubhaft und reflektiert auf die Kritik eingeht und die Kritik widerlegen kann. Das kürzlich veröffentlichte Statement nimmt man LACK als gut gemeint ab, auch wenn es den Kern nur bedingt trifft.

a) Die Band hat zwar unterstrichen, sie seien "by no means anti-semites". Um den Songtext selbst gab und gibt es nichts zu feilschen. Der Urheber erklärt sich den Nahost-Konflikt mit "logic of the death camps" und der Folge: "Victim becomes the oppressor". Das ist eine Variation der Behauptung, Juden seien die neuen Nazis. Es wird sich hier nicht mal Mühe gegeben wird, es interpretierbar zu halten: Es steht so tatsächlich da. Das ist keine "Interpretation" und kein "misreading" des Liedtextes, da muss nichts hinein gelesen werden ? nein, das steht genau so da drin! Und wer das nicht einsieht, soll mal eine andere "Interpretation" vorschlagen, die den Zusammenhang von "holy lands", "logic of the death camps", "the fuckers" etc. klarstellt.

Zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Song noch folgende weitere Anmerkungen:

b) Der Nahostkonflikt stellt in seiner historischen Dimension zwar sehr wohl eine Metzelei dar, aber Nationalstaaterei ist immer mit einem Gewaltgeschäft verbunden, da Nationalstaaterei eben Staatenkonkurrenz bedeutet. In dem hier behandelten Konflikt trifft israelischer Nationalismus auf. palästinensichen Staatsgründungsnationalismus. Gewalt die zwar auch in anderen, historischen Konstellationen vorkam, aber nicht das Produkt des NS ist. Die Gründe des Nahostkonflikts sind aktuell; wäre der NS der Grund, wäre der Konflikt ohne Gegenstand und hätte sich wohl nicht über Jahrzehnte fortgesetzt. Aus dem NS geht aber sehr wohl die Notwendigkeit einer jüdischen Heimstätte hervor, die einen sicheren Hafen gegen jeden Antisemitismus darstellt und sich dagegen wehren kann.

c) Die Lyrics und die darin geäußerte Analyse zum Konflikt ist nicht nur durch die unzutreffende Historisierung Blödsinn, sondern auch durch den dämlichen Versuch einer "politischen" Erklärung. Der fällt nämlich völlig unpolitisch aus und muss sich obendrein den Klang eines Geschichtsrevisionismus gefallen lassen: "Can't forget, so we repeat." Kleine Marginalie der Logik: Daraus, dass sich jemand an etwas erinnert, oder eben nicht, folgt mit Notwendigkeit NICHTS.

d) LACK verklären sich den Nahostkonflikt durch eine Übertragung der Konstellation Deutsche-Juden auf die Situation in Israel, also Israelis-Palästinenser. Das ist schon sachlich falsch: in Israel wird man Konzentrationslager vergeblich suchen, ebenso, wie der Nachweis scheitern wird, dass die Israelis die Palästinenser schikanieren, weil sie Antisemiten wären... völlig absurd. Dabei werden die Israelis/Juden auch noch als Kollektivsubjekt behandelt. So werden sie nicht in ihrer Rolle als Staatsbürger Israels angesprochen ? der Israelische Staat wird in den Lyrics nicht einmal erwähnt. Statt dessen werden ?die Juden? dauernd zwischen "they" und "the fuckers" beschrieben. In Haftung genommen wird nicht Israel als Staat, sondern diejenigen, die nichts aus ihrer Geschichte gelernt hätten ? also die Juden; damit verbunden ist der Wunsch, die Juden sollten sich doch bitte "ihrer" Geschichte entsprechend verhalten.

e) Das ist nicht nur ein dummer Anspruch (aus "der Geschichte" lassen sich haufenweise, auch widersprüchliche Schlüsse ziehen, doch vom Standpunkt konkurrierender Staaten gehört Pazifismus eher nicht dazu), sondern auch ein dummer Inhalt: Den Israelis/Juden wird ihr abweichendes Verhalten zum Vorwurf gemacht - sie geben sich nicht so, wie man es von "Juden" nach dem NS erwartet (so nach dem Motto: eigentlich sollten die Juden doch "dank" NS geläutert sein). Den Standpunkt kann man nur als Antisemit ernsthaft vertreten.

Fans und Freunden der Band, die sich nicht derart mit den Lyrics befasst haben, mag das nicht schmecken ? es ändert aber nichts an den zweifelsfreien Aussagen in diesem Song. Eine Band, die in ihren Texten politische Statements abgibt, muss es sich gefallen lassen, genau dafür kritisch besprochen zu werden und auch mal einen Widerspruch abzubekommen. Wer mit solchen Einwänden nicht auskommt, sollte sie in der Diskussion ausräumen oder das Weite suchen. Hier passierte ja über 3 Jahre lang nichts von beidem. Die Band trat weiter auf und hat sich bis gestern nie plausibel distanziert. Nun hat sie sich endlich der Kritik angenommen und auch alle jenen, die Zweifel an den Kritikern ihres Songs hatten, bestätigt: Der Song ist mit antisemitischen Ressentiments aufgeladen, konnte genau so verstanden werden und sie würden den Song so nicht noch einmal schreiben. Wichtig bleibt noch auf den Zusammenhang hinzuweisen, aus dem eine Band entspringt und in welchem solche oder andere politische Aussagen zu Tage treten. Schließlich sind LACK nur ein Beispiel einer Band aus einer linken Szene, welche sich in der Regression befindet und zu alten Stereotypen zurück gekehrt ist, anstatt sich davon zu emanzipieren. LACK sind nicht besser oder schlechter als die linke Szene, der sie entstammen.

andreasunterm durchschnitt, 2. April 2008.

Footnotes:
1 LACK "Ritornello": » God has no favourites and blood is spilled today on holy lands. Parents lose their children, yet fail to understand why they're denounced as terrorists when they fall by a terrorist hand. They're dying again and I thik I saw nods of approval. ...and history repeats itself when we, the sons and daughters, haven't learned a thing from the logic of the death camps. Victim becomes the oppressor. Can't forget, so we repeat. Now there is a boy with a bomb under his shirt, where once was just a stone and a sling. But there´s a thousand rifles and a million thirsty bullets. They're dying again and I think I see nods of approval. ...and history repeats itself when the fuckers in power stay clear of the blood that taints their every want to remove the Unwanted. Can't forget, so we repeat. If it ´s sleep that you want, then sleep tight. Sweet dreams. Meanwhile the peace that we know is not the peace that they know. It's just silence before yet another storm. And a red sun rises. Listen! In the dawn of the wretched, the lonely sound of a promise: 'if they deny us our live, let's grant them our hell' By this we´re all dying again and again and again. Again.«

2 Original Statement Mallorys Last Dance,22. august 2005: www.unterm-durchschnitt.de/de/news-archiv_2004-2006.html

3 Statement von Lack, 3. April 2008: blog.myspace.com/index.cfm




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